Immer ein schlechtes Gewissen? 5 Schritte zum besseren Umgang mit Schuld

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Du hast nach einem vollen Wochenende Schwierigkeiten, zurück in deine Arbeitsaufgaben zu kommen? Und schiebst den Arbeitsbeginn immer weiter nach hinten, während dich dein schlechtes Gewissen zunehmend quält? Oder du hast nach einer anstrengenden Woche eigentlich schöne Pläne für das Wochenende, doch statt sie umzusetzen, bleibst du erschöpft im Bett, schaust Netflix und fühlst dich schuldig? Deine beruflichen Leistungen leiden nicht, aber dein Selbstbild? Du hast quasi immer ein schlechtes Gewissen? Wenn dir das bekannt vorkommt, dann bist du nicht allein. Lass uns schauen, was hier auf psychologischer Ebene passiert – und vor allem, wie du wieder mehr mit dir selbst ins Reine kommen kannst.

 

Immer ein schlechtes Gewissen: Was auf psychologischer Ebene passiert

 

Die Wurzeln: Überlastung und unerfüllte Bedürfnisse

Wenn wir einige Tage zurückspulen, sehen wir die Ursachen für deine Erschöpfung. Vielleicht war dein Wochenende vollgepackt mit sozialen Verpflichtungen, obwohl du eigentlich Ruhe gebraucht hättest. Wenn du eher introvertiert bist, kann zu viel soziale Interaktion anstrengend sein. Vielleicht hattest du auch eine besonders stressige Arbeitswoche mit Überstunden oder einer Geschäftsreise. Ruhige Mahlzeiten und Sport mussten dem vollen Terminkalender weichen – und damit auch zentrale Grundbedürfnisse deines Körpers und Geistes.

In solchen Szenarien spielen oft Erwartungen eine große Rolle. Du wolltest niemanden enttäuschen – weder deine Familie noch FreundInnen oder KollegInnen – oder gar verärgern, und stellst dich selbst hinten an. Das führt zur Erschöpfung, und die wiederum kann es erschweren, sich um das eigene Wohlbefinden zu kümmern. Wir können Selbstregulation als begrenzte Ressource betrachten (Baumeister et al., 1998), die sich selbstverständlich auch wieder füllen, lässt. Und doch: Bist du erst mal müde und erschöpft, greifst du eher zu kurzfristigen Belohnungen: Serien, Snacks oder ein weiteres Nickerchen.

Unsere Idealvorstellungen führen zu Reibung

Dann setzt das Gedankenkarussell ein: ‚Warum bin ich so erschöpft?‘, ‚Ich sollte meine Freizeit produktiver nutzen.‘, ‚Jetzt brauche ich auch nicht mehr anzufangen.‘ oder gar ‚Jetzt habe ich es nicht mehr verdient, mir etwas Gutes zu tun.‘ Diese Gedanken lösen weitere Gefühle wie Schuld, Scham oder Frustration aus. Wir haben jetzt also Gefühle über Gefühle. Das emotionale Chaos wächst, die Überforderung nimmt zu – und schließlich bleibst du einfach liegen.

 

Was passiert, wenn wir immer ein schlechtes Gewissen haben?

 

Ständiges schlechtes Gewissen kann unser mentales und physisches Wohlbefinden beeinträchtigen. Studien zeigen, dass chronische Selbstvorwürfe mit einem erhöhten Risiko für depressive Episoden verbunden sind, vor allem dann, wenn sich die Selbstvorwürfe nicht auf unser Verhalten, sondern unsere Person beziehen (Tangney, Stuewig & Mashek, 2007).

 

Wie du aus der Schuldspirale aussteigen kannst

 

1. Auf Ursachensuche gehen

Wenn sich in den nächsten Tagen ein Anflug von Schuld, Erschöpfung oder Müdigkeit zeigt, halte kurz inne. Du kannst das auf verschiedene Art und Weisen tun.

Du kannst zum einen mit Verstand an die Sache gehen: Reflektiere schriftlich darüber, wie es dir gerade geht, was dich beschäftigt, und frage dich, was ist vorher alles passiert. Finde ein Format, das dir zusagt (klassisch per Paper & Pencil / ein Word-Dokument auf deinem Laptop / Sprachmemo an dich), und lass dir Zeit. Vielleicht kannst du Muster oder Verknüpfungen erkennen? Vielleicht siehst du aus diesem Blickwinkel, dass es gar nicht überraschend ist, dass du erschöpft bist?

Eine andere wertvolle Herangehensweise ist, dich mit dir selbst auf der Gefühlsebene auseinanderzusetzen. Also in dich hineinzuspüren und hineinzuhorchen und was auch immer du findest, zu erkunden. Viele meiner KlientInnen fürchten, dass ihre Gefühle noch stärker werden, wenn sie sich damit auseinandersetzen. Das kann zunächst passieren, wenn diese vorher lange vermieden wurden.

 

2. Akzeptanz

Das größte Geschenk, das du dir machen kannst, ist es, dir selbst zuzugestehen, dich zu fühlen, wie auch immer du dich gerade fühlst. Frage dich: Was wäre anders, wenn ich meine Empfindungen annehmen könnte?

Wenn du dir wirklich erlauben kannst, dich zu fühlen, wie du dich fühlst, kann das Gegenteil von dem passieren, vor dem du dich fürchtest. Statt größer und unüberwindbar zu wirken, könnten deine Gefühle klarer werden und weniger innere Reibung erzeugen. Und vor allem entstehen keine Gefühle über Gefühle „ich fühle mich schuldig, dafür, mich auszuruhen, wenn ich erschöpft bin.

Und vielleicht hat dir deine Schuld etwas zu sagen, das tatsächlich hilfreich ist? Vielleicht hast du Dinge gesagt oder getan, die du tatsächlich bereust? Vielleicht fühlst du ein Gefühl der Schuld dir selbst gegenüber, weil du dich nicht gut geachtet hast? Das sind wichtige Informationen, die du für die Zukunft berücksichtigen kannst.

 

3. Noch mehr Akzeptanz

Manche tun sich mit der Ursachensuche schwer. Sie wissen zwar rational, dass Schuldgefühle unbegründet sind – und empfinden sie dennoch. Dies kann die verschiedensten Gründe haben. In dem Moment, in dem wir sagen: „aber ich brauche mich doch nicht schuldig zu fühlen“, sprechen wir uns gewissermaßen auch ab, uns so fühlen zu dürfen. „Brauchen“ kann schnell zu einem „sollte“ werden.

Hat dir schon mal jemand in einem Streit gesagt: „Aber du brauchst doch nicht traurig zu werden“? Hat das geholfen, deine Traurigkeit zu überwinden? Oder kam dann eher noch Schuld, Scham oder Wut obendrauf? Wie oft sagen wir unseren Kindern, dass sie nicht traurig sein müssen, wenn – sagen wir – der Lolli in den Dreck fällt? Weil wir nicht noch mehr Raum für fordernde Emotionen halten wollen, wenn der innere Schreibtisch ohnehin überquillt? Du hast dich in deiner Kindheit vermutlich in einem kulturellen und gesellschaftlichen Konstrukt bewegt, in dem es nicht besonders gefördert wurde, sich zu fühlen – und in dem es in vielen Kontexten doch auf eines ankam: Leistung.

 

4. Schärfe deine Wahrnehmung für kritische Gedanken

Wenn du immer ein schlechtes Gewissen hast, beobachte mal, was dein Kopf dir so alles an Gedanken vorsetzt. Er ist primär da, um dich zu schützen und auf Probleme vorzubereiten, kann aber leicht die Schwelle überschreiten und dir Dinge vor die Nase setzen, die nicht mehr hilfreich sind. Wie viel Zeit du mit diesen Gedanken verbringst und ob du sie als hilfreich, wichtig und relevant betrachtest, liegt in deiner Kontrolle.

 

5. Praktische Lösungen entwickeln

Erkennst du wiederkehrende Muster? Stecken hilfreiche Informationen in deinen Gefühlen, und es gibt vielleicht Dinge, die du künftig (anders) tun oder nicht tun möchtest? Dann entwickle gezielt neue Strategien. Vielleicht bedeutet das, klare Grenzen zu setzen oder dich mit FreundInnen über deine Erwartungen auszutauschen. Oder du planst gezielt Zeiten ein, um deine Batterien zu laden, ohne sie in Frage zu stellen. Kleine Veränderungen sind oft nachhaltiger als radikale Umstellungen. Gehe also einen kleinen Schritt nach dem anderen und sei dabei geduldig mit dir selbst.

 

Fazit: Du bist nicht allein.

Ein schlechtes Gewissen begleitet viele Menschen – besonders jene mit hohen Ansprüchen an sich selbst. Doch du kannst lernen, besser damit umzugehen. Wenn du dich nach innerer Freiheit sehnst und dich intensiver mit Perfektionismus, deinen Gefühlen, deinem Selbstwertgefühl oder dem Thema Grenzen setzen beschäftigen möchtest, lade ich dich ein, ein kostenloses 25-minütiges Kennenlerngespräch mit mir zu buchen. Gemeinsam schauen wir, welche konkreten nächsten Schritte dir helfen können, aus belastenden Mustern auszusteigen, ein besseres Gefühl für dich selbst zu entwickeln und den Druck von dir zu nehmen.

 

Quellen zu immer ein schlechtes Gewissen, immer ein schlechtes Gewissen:

Baumeister, R. F., & Vohs, K. D. (2018). Strength model of self-regulation as limited resource: Assessment, controversies, update. In Self-regulation and self-control (pp. 78-128). Routledge. 

Tangney, J. P., Stuewig, J., & Mashek, D. J. (2007). Moral emotions and moral behavior. Annu. Rev. Psychol., 58(1), 345-372.

 

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