Gefühle fühlen – wo vermeidest du es? Wieso und wozu du sie fühlen solltest

wilder Shorebreak als Methapher: man muss Gefühle fühlen, mitten hindurch, um ins ruhige Wasser zu kommen

Gefühle fühlen – ein zentrales Thema im psychologischen Beratungssetting. Viele meiner KlientInnen suchen Hilfe heraus, weil sie starke, unangenehme Gefühle erleben, und das immer wieder oder über einen längeren Zeitraum. Es kann auch hilfreich sein psychologsiche Beratung in Anspruch zu nehmen, wenn du Dinge tust, von welchen du weißt, sie sind eigentlich nicht hilfreich. Was es bedeutet Gefühle zu fühlen, wieso es wichtig ist, und wie es dich einem erfüllten, zufriedenen Leben näher bringt möchte ich im heutigen Beitrag erklären.

Hast du schon mal versucht, einen aufgeblasenen Ball, z.B. in einem Pool, unter Wasser zu drücken? Und ihn dort unten zu halten? Du kannst dir sicherlich lebhaft vorstellen, dass das kein leichtes Unterfangen ist. Und irgendwann wird dieser Ball deinem Griff entgleiten und unkontrolliert aus dem Wasser herausspringen. Das ist eine schöne Methapher für das, was passiert, wenn du versuchst, deine Gefühle zu unterdrücken – sie bahnen sich irgendwann unkontrolliert einen Weg an die Oberfläche, und bis dahin hat die Unterdrückung der selben viel Kraft gekostet. Das ist nicht der Fall, wenn du deine Gefühle fühlen kannst.

 

Gefühle fühlen – was es bedeutet

Gefühle fühlen bedeutet, das Erleben deiner Gefühle nicht verhindern zu wollen. Es bedeutet, deinen Gefühlen in deinem inneren Platz zu schaffen, wenn sie auftauchen, und ihnen zu erlauben, da zu sein. Sie zu fühlen und erleben. Sie nicht zu ignorieren oder zu verdrängen. Denn meist haben diese Gefühle wichtige Botschaften für dich. Es bedeutet nicht, unangenehme Gefühle hinzunehmen, ohne hinzuschauen, ob sich an deiner Ausgangssituation etwas ändern lässt. Es bedeutet auch nicht deine Gefühle auszuagieren, also beispielsweise dich aggressiv zu verhalten, weil du Wut fühlst.

 

Wieso es wichtig ist, Gefühlen zu fühlen

1. Gefühle enthalten Botschaften

Gefühle sind unmittelbar mit deinen Bedürfnissen verknüpft. Unsere Gefühle können also Aufschluss darüber geben, wer oder was dir wichtig ist. Oder was du in deinem Leben verändern solltest. Ja stärker die Gefühle, desto wichtiger die Sache, mit der sie verknüpft sind. Dort weg zu schauen, hindert dich daran, deine Bedrüfnisse zu erkennen, zu erfüllen, dein Leben aktiv zu formen.

Wenn du dich zum Beispiel lieber mit viel Arbeit ablenkst, statt bestimmte Gefühle und ihre Auslöser zu betrachten, wird es schwieriger sein, negative Konsequenzen eines wichtigen unerfüllten Bedürfnisses wie steigende Unzufriedenheit richtig einzuordnen. Gefühle fühlen ist also der Weg hinzuschauen, um aktiv das eigene Leben formen zu können. Manchmal enthalten deine Gefühle auch nichts, was sich in Handlungen umwandeln lässt. Dann ist es hilfreich, dir selbst Mitgefühl zu zeigen, so wie du es auch einer geliebten Freundin zeigen würdest.

 

2. Das Vermeiden von Gefühlen hat oft negative Langzeitfolgen

Das Vermeiden von Gefühlen äußerst sich oft im Zeigen von Verhaltensweisen, die dich weiter weg von dem Leben bringen, das du eigentlich führen möchtest. Hier können viele psychischen Störungen als Beispiel angeführt werden: Angststörungen zum Beispiel – hier möchten KlientInnen das Gefühl von Angst nicht fühlen, und vermeiden damit alle Situationen, die Angst auslösen könnten. Dadurch entsteht eine wesentliche Beeinträchtigung der Lebensqualität. Es gibt aber auch Beispiele, die noch mehr Menschen selbst erleben: z.B. ein Gefühl von Unlust im Ausblick auf die Runde Sport, die dir gut tun würde, oder auf die kommende Steuererklärung. Hier ist es wichtig, zunächst das Gefühl zu erkennen, zu benennen und Platz zu schaffen, um dann trotzdem das zu tun, was richtig ist.

 

3. Negative Bewertungen über Gefühle machen das Gefühlschaos größer

Ein weiterer Punkt ist die Art und Weise, wie du zu deinen Gefühlen stehst. Also so genannte Meta-Emotionen, die Einstellungen, die du zu deinen Gefühle hast. Diese können problematisch werden, wenn du bestimmte Gefühle als Problem bewertest. Das führt dazu, dass du negative Gefühle über deine Gefühle hast, womit sie größer werden und damit mehr Platz in deinem Leben einnehmen, als eigentlich nötig wäre. Dazu gibt es hier ein kurzes Video, das diesen Aspekt gut erklärt. Es hat sich außerdem gezeigt, dass Paarbeziehungen dann belasteter sind, wenn PartnerInnen unterschiedliche Meta-Emotionen haben. Wenn es für einen Partner z.B. okay ist, wütend zu sein und dies zu verbalisieren, der andere dies aber als unangemessen wahrnimmt.

 

Wie Gefühle fühlen deine Lebensqualität steigern kann

Wenn du deinen Gefühlen Platz in deinem Inneren schaffst, musst du kein (Vermeidungs-)Verhalten zeigen, welches dich von dem weg bringt, dass du dir wünschst. Zumal können schmerzhafte Erlebnisse oftmals erst dadurch verarbeitet werden, dass die das Erlebnis begleitenden Gefühle durchlebt werden.

 

The only way out is through“

 

Viele Dinge, die unser Leben voll und lebenswert machen, sind zunächst (oder auch immer mal wieder) unangenehm: Das Gefühl der Unsicherheit und Angst, dich auf jemaden einzulassen, obwohl du dir genau das wünschst. Das Schreiben einer Bewerbung für eine Position, die du toll fändest, aber Zweifel an deiner eigenen Kompetenz hast, obwohl dieser Job dein Traumjob wäre. Die tausenden gescheiterten Versuche auf dem Weg zum Erlernen einer neuen Fähigkeit, die du gerne beherrschen möchtest. Die unangenehme Kontaktaufnahme zu einer Psychologin, obwohl du weißt, dass du manche Dinge in deinem Leben vielleicht mit Hilfe angehen musst.

All das verlangt von dir, dich unwohl, unsicher, ängstlich oder verletzlich zu fühlen. Aber nur durch diese Gefühle hindurch kannst du Verhaltensweisen zeigen, die dich deinem angestrebten Leben näher bringen. Manchmal bedarf es der Zusammenarbeit mit einer Psychologin, um mit den eigenen Gefühlen besser in Kontakt treten, und bestimmte starke Gefühle zulassen zu können.

Gibt es eine Sache in deinem Leben, die du eigentlich angehen solltest, aber doch immer wieder vor dir her schiebst? Kommentiere gerne diesen Beitrag oder teile sie mit mir in einer Email.

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